Reformpläne der Koalition
Aus der „Rente mit 63“ wird die „Rente mit 65“
16.01.2014 • Die höhere Mütter-Rente soll jährlich mehr als sechs Milliarden Euro kosten, aus der „Rente mit 63“ wird die „Rente mit 65“ und das Rentenniveau sinkt schneller. Ein Überblick über die Reformpläne der Bundesregierung.
Die von Union und SPD avisierte Rentenreform umfasst wesentlich zwei große Blöcke: Die Mütter-Rente und die abschlagsfreie „Rente mit 63“ für langjährig Beschäftigte. Im nun vorgelegten Gesetzentwurf steht detailliert, wie beide Vorhaben auf den Weg gebracht werden sollen:
Mütter-Rente kostet mehr als 6 Milliarden jährlich:
Mütter bekommen für Kinder, die vor 1992 geboren sind, einen Rentenpunkt mehr. Das erhöht im Westen die Rente um gut 28 Euro im Monat und im Osten um knapp 26 Euro. Mütter von später geborenen Kindern erhalten weiterhin drei RentenpunkteDie Rentenversicherung will das zusätzliche Geld als Zuschlag zahlen. Andernfalls müsste sie 9,5 Millionen laufende Renten neu berechnen. Da die Umstellung Zeit kostet, werden viele erst im Oktober oder später mehr Geld auf dem Konto haben. Gezahlt wird aber rückwirkend vom 1. Juli an.Auf ein Jahr bezogen kostet die höhere Mütter-Rente laut Entwurf 6,7 Milliarden Euro, für dieses Jahr 2014 schlagen 3,3 Milliarden Euro zu Buche. Bis 2030 sinkt nach Annahmen des Arbeitsministeriums die jährliche Summe auf 6,1 Milliarden Euro.Aus der „Rente mit 63“ wird die „Rente mit 65“:
Wer 45 Jahre lang in die Rentenversicherung eingezahlt hat, kann mit 63 Jahren ohne Abschläge in den Ruhestand gehen. Für jeden Monat, den die Rente vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter beginnt (in diesem Jahr 2014 sind das 65 Jahre und drei Monate), wird das Altersgeld eigentlich um 0,3 Prozent gekürzt. Dieser lebenslange Abschlag entfällt bei der „Rente mit 63“.Aus der „Rente mit 63“ wird bis zum Jahr 2029 die „Rente mit 65“: Die Schwelle soll schrittweise steigen. Die neue „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“ gilt ab 63 Jahren nur für Versicherte, die vor dem 1. Januar 1953 geboren sind und deren Rente nach dem 1. Juli 2014 beginnt. Für ab 1953 Geborene steigt die Altersgrenze mit jedem Jahrgang um zwei Monate. Für ab 1964 Geborene liegt sie somit bei 65 Jahren.Bisher gab es nur eine „Rente für besonders langjährig Versicherte“ ab 65 Jahren. Die neue Rente mit 63 weitet diese Regel aus und senkt zudem die Anspruchsvoraussetzungen. Zeiten der Arbeitslosigkeit werden als Beitragsjahre mitgezählt, wenn Anspruch auf das reguläre Arbeitslosengeld I bestand. Hartz-IV-Empfänger bleiben außen vor.Die Kosten wachsen von 900 Millionen Euro in diesem Jahr 2014 auf 1,9 Milliarden Euro im Jahr 2015 bis auf 3,1 Milliarden jährlich im Jahr 2030.Höhere Erwerbsminderungsrente:
Für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen früher in Rente gehen, wird die Zurechnungszeit in einem Schritt von 60 auf 62 Jahre angehoben. Ihre Erwerbsminderungsrente wird dann so berechnet, als ob sie bis zum Alter von 62 Jahren Beiträge entrichtet hätten. Das bringt nach Berechnungen der Rentenkasse monatlich netto 40 Euro mehr. Die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente beträgt derzeit 600 Euro.Das Einkommen, das Frührentner in den vier Jahren vor der Rente erzielen, wird anders berücksichtigt. Ziel ist, dass Lohneinbußen in diesen Jahren wegen der Erwerbsminderung nicht auch die Erwerbsminderungsrente verringern.Die Kosten steigen von 100 Millionen Euro im Jahr 2014 auf etwa 2,1 Milliarden Euro im Jahr 2030.Höhere Rente für Geringverdiener:
Die Renten von Geringverdienern will die große Koalition ab dem Jahr 2017 erhöhen. Renten von Kleinverdienern, die 40 Jahre eingezahlt haben, sollen auf bis zu 30 Rentenpunkte aufgestockt werden. Das wären nach heutigem Wert rund 850 Euro monatlich.Beiträge steigen ab 2019:
Der Beitragssatz zur Rentenversicherung hätte mit Beginn dieses Jahres von 18,9 auf 18,3 Prozent des Bruttolohns sinken müssen, weil die Reserven der Rentenkasse auf etwa 31 Milliarden Euro angeschwollen sind. Dies haben Union und SPD noch vor Weihnachten per Gesetz verhindert.Der Gesetzentwurf für die Rentenreform sieht vor, dass der Beitragssatz bis 2018 stabil bei 18,9 Prozent bleibt. 2019 stiege er auf 19,7 Prozent und bis 2030 auf 22 Prozent.So wird das Ganze bezahlt:
Die Kosten der Änderungen summieren sich bis 2020 auf Mehrausgaben von insgesamt rund 60 Milliarden Euro. Bis zum Jahr 2030 kommen etwa 160 Milliarden Euro zusammen. Bezahlt wird dies vor allem von den Beitragszahlern (Arbeitnehmern und Arbeitgebern). Mögliche Betragssenkungen unterbleiben und die Rücklagen in der Rentenkasse (rund 31 Milliarden Euro) werden geplündert. Der Bund erhöht den allgemeinen Bundeszuschuss ab 2019 bis 2022 stufenweise um jährlich 400 Millionen Euro. Das wären 1,6 Milliarden zusätzlich ab 2022. Im Gesetzentwurf heißt es aber auch, die zusätzlichen Mittel sollten „bis zum Jahr 2022 stufenweise auf rund zwei Milliarden Euro jährlich aufwachsen“.Der Bund bezahlt durch die Reform auch schon in den Jahren 2014 bis 2017 jedes Jahr knapp 1,5 Milliarden Euro mehr als im Fall einer Beitragssenkung nötig gewesen wäre. Dies ergibt sich durch einen Automatismus: Die Zahlungen sind an die Beitragshöhe gekoppelt. Gegenüber dem geltenden Finanzplan fallen die Bundesmittel während dieser Zeit aber nur um knapp zwei Milliarden Euro höher aus, weil die eigentlich mögliche Beitragssenkung im Finanzplan nicht berücksichtigt war.Das Rentenniveau sinkt:
Derzeitige und künftige Rentner tragen auch zur Finanzierung bei, denn durch unterlassene Beitragssenkungen und höhere Rentenausgaben fallen die jährlichen Rentenerhöhungen niedriger aus: „Das Sicherungsniveau vor Steuern fällt somit geringer aus“, heißt es im Entwurf dazu.Das Mindestsicherungsniveau beziffert die Rentenhöhe eines Durchschnittsverdieners nach 45 Beitragsjahren im Vergleich zu einem durchschnittlichen Arbeitsentgelt heutzutage. Laut Gesetzentwurf sinkt das Sicherungsniveau nun schneller: Während der Rentenversicherungsbericht vom November 2013 für 2030 noch ein Rentenniveau von 44,4 Prozent vorhersagte, geht das Arbeitsministerium nun von nur noch 43,7 Prozent aus. Derartige Berechnungen setzen immer voraus, dass Konjunktur und Beschäftigung sich nicht schlechter entwickeln als erwartet.
(Quelle FAZ im Internet am 16.1.2014)
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