Die Flugzeuge der Firma dienen unter anderem der
Luftwaffe als Übungsziele. Ihren Sitz hat die GFD auf dem Flugplatz Hohn
in Schleswig-Holstein. Sie hat eine Flotte von elf Learjets, zweimotorigen Geschäftsreiseflugzeugen, in Betrieb.
Von Bernd Sangermannund Thomas Winterberg
Olsberg-Elpe. Matthias Hering schüttelt ungläubig den Kopf. „Der
Einschlag ist nur knapp 100 Meter von unserem Haus entfernt. Wenn der
uns getroffen hätte...“ Der 46-Jährige spricht den Satz nicht weiter,
er will gar nicht darüber nachdenken, was hätte passieren können.
Leichenblass zeigt er Bilder, die er kurz nach dem Absturz des Learjets
gemacht hat.
„Ich war gerade beim Kofferpacken. Wir wollen morgen ganz früh in
den Urlaub fliegen. Nach Mallorca. Und dann plötzlich dieser Knall in
der Luft. Das Haus hat richtig gewackelt“, erzählt Hering. Er sei sofort
ans Fenster gesprungen und habe dann das Flugzeug gesehen, das
raketenartig mit nur noch einem Flügel fast waagerecht über die Wiese
geschossen und dann unterhalb des Waldes aufgeschlagen sei. „Dann gab es
eine Explosion und einen riesigen Feuerball. Ich habe meinen Augen
nicht getraut. Das sah aus wie im Krieg, als wenn eine Bombe
eingeschlagen hätte. Dann habe ich gedacht: Vielleicht kannst Du ja noch
helfen“, so Hering.
Durch den Garten stürmt er auf die gegenüberliegende Wiese. Auch
Monika Joch, die im selben Haus wohnt, steht schon am Gartentor und
alarmiert gegen 14.40 Uhr die Feuerwehr. Eine von vielen, die zum Handy
greifen und die 112 anrufen. „Wir sind dann gemeinsam zu der
Unglücksstelle gelaufen und waren wohl auch die Ersten dort. Vor lauter
Qualm konnten wir aber kaum etwas sehen“, berichtet Hering.
Starker Rauch
„Es lagen überall Trümmer herum, die ganze Wiese war voll“, so
Monika Joch. Matthias Hering stolpert über eine Turbine, findet
unterwegs ein Bordbuch, das er später der Polizei übergibt. Von den
Flugzeuginsassen zunächst keine Spur. Aber dann stößt er auf
menschliche Überreste. Der Rauch ist inzwischen so stark, dass sich
Hering zurückziehen muss. „Ich habe die ganze Zeit husten müssen. Die
Lunge brennt jetzt noch.“
Wenig später treffen Rettungskräfte und Polizei ein. 54
Feuerwehrleute und 12 Einsatzfahrzeuge sind es. Dazu 15
Rettungssanitäter und fünf Mitarbeiter für die psychosoziale Betreuung
der Helfer. Mehrere Rettungshubschrauber stehen noch später auf der
Wiese. Sie werden ohne Patienten zurückfliegen. Die Unglücksstelle wird
weiträumig abgesperrt, das Feuer gelöscht.
In kleinen Gruppen stehen die Dorfbewohner noch lange zusammen. Der
Schreck steht ihnen ins Gesicht geschrieben. „Wir haben ein riesengroßes
Glück gehabt“, sagt Monika Joch. Ein Passant glaubt fest daran, dass
der Pilot die Maschine im letzten Augenblick von den Häusern weggerissen
hat. „Ich habe gesehen, wie zwei Flugzeuge hintereinander in einer
Wolke verschwunden sind. Dann gab es einen Knall. Für Überschall waren
die zu langsam. Dann ging eine Maschine pfeilförmig zu Boden“, hat
Landschaftsgärtner Markus Biene (40) beobachtet.
Derweil zeigt der zehnjährige Jonas Joch Metallteile, die er im
Garten gefunden hat. „Auf dem Weg da oben sind noch viel mehr.“ Doch die
will im Moment niemand sehen, geschweige denn sammeln.
Matthias Hering ist inzwischen in seiner Wohnung. Er schaut auf die
Bilder, die er reflexartig geschossen hat. „Nein, nach Kofferpacken
steht mir der Kopf überhaupt nicht mehr.“ Immer wieder klingelt das
Telefon. Bekannte und Freunde wollen wissen, was passiert ist, ob es der
Familie gut geht.
Oberhalb der St.-Lucia-Kirche haben Hochsauerlandkreis und Stadt
Olsberg unterdessen eine provisorische Pressekonferenz im Kindergarten
anberaumt. Kreisbrandmeister Martin Rickert berichtet dort vom Fund
eines Fallschirms. Zwei Kilometer entfernt in Altenfeld. „Es kann sich
nur um einen Bremsfallschirm handeln. Der Privatjet hatte keine
technische Vorrichtung, mit der die Insassen hätten aussteigen können“,
sagt der 59-Jährige. Die Überlebenschancen für den zweiten Insassen der
Maschine stehen daher sehr schlecht.
Unglaubliches Glück gehabt
Noch in der Pressekonferenz, an der kein Vertreter der Bundeswehr
teilnimmt, werden Fragen laut, ob es tatsächlich eine militärische Übung
gewesen sei, warum so dicht über Wohngebieten geflogen werde und ob der
Kreis über solche Aktionen generell informiert werde.
Fragen, auf die es so kurzfristig keine Antworten gibt. Auch Landrat
Dr. Karl Schneider ist nach Elpe gekommen. „Eine ganz schlimme Sache.
Aber die Elper haben bei allem ein unglaubliches Glück gehabt.“ Er
spricht nicht aus, was vielen Menschen durch den Kopf geht. Was wäre,
wenn die Maschine eine Schneise durch das 700-Seelen-Dorf gezogen hätte?
Nur einen Steinwurf entfernt liegt das Fort-Fun-Abenteuerland.
Immer wieder kreisen Militärhubschrauber über dem Dorf und suchen. Am
Abend heißt es plötzlich, der Vermisste sei nun doch gefunden worden.
Doch das ist eine Fehlmeldung.
Die Aufarbeitung einer Tragödie
Kontakt mit Experten in ganz Deutschland. Luftraum gesperrt
Olsberg. Was passierte am Montag gegen 14.40 Uhr in drei bis fünf
Kilometern Höhe über dem Hochsauerlandkreis? Die Schockstarre nach dem
Absturz des Learjets in Olsberg-Elpe weicht der unausweichlichen
Aufarbeitung einer Tragödie.
Während an der Absturzstelle am späten Nachmittag Mitarbeiter von
Polizei, Feuerwehr, Bundeswehr, Flugunfall-Untersuchung,
Staatsanwaltschaft und Luftaufsicht unter Hochdruck versuchten, sich ein
erstes Bild zu machen, sind drei Reporter dieser Zeitung bereits wieder
in der Redaktion, um ihre Berichte zu schreiben. Erste Meldungen und
Fotos aus Elpe haben sie da längst über das Internet und die sozialen
Netzwerke abgesetzt.
Derweil haben weitere Kollegen Behörden und Experten in ganz
Deutschland kontaktiert, um Hintergründe zusammenzutragen. Archive
werden bemüht, andere Nachrichtenquellen ausgewertet und sogar Kollegen
an der Ostsee um Unterstützung gebeten.
Ein Ziel lässt sich nicht realisieren: eine Übersicht in Form eines
Luftbildes. Der Luftraum ist gesperrt, kein ziviles Flugzeug darf die
Unglücksstelle überfliegen. Die Behörden erklären, sie möchten nicht,
dass die Ermittlungen durch Überflüge gestört werden.
Gegen Abend ergibt sich für die Redaktion dennoch ein erstes klares
Bild, das in den nächsten Tagen immer wieder überprüft und ergänzt
werden muss. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung hat bereits
angekündigt, dass belastbare Aussagen erst in Wochen vorliegen werden.
(Quelle WR vom 24.06.2014)