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Mittwoch, 25. Juni 2014

2014-06-24 Flugzeugabsturz im Sauerland





 

Absturz bei Bundeswehr-Übung

Bei Olsberg im Sauerland: Militärjet stößt mit Flugzeug zusammen.

Olsberg. Ein Kampfjet der Bundeswehr ist bei einer Übung über dem Sauerland mit einem beteiligten Zivilflugzeug zusammengestoßen. Der Learjet mit zwei Menschen an Bord stürzte nach dem Unfall mit dem Eurofighter in ein Waldstück bei Olsberg-Elpe und ging in Flammen auf, sagte die Sprecherin der Kreispolizei in Meschede. Ein Insasse ist tot, der andere wurde am späten Abend noch vermisst.

Im Umkreis von fünf Kilometern um die Absturzstelle wurden Trümmerteile entdeckt. Der Eurofighter landete hingegen sicher auf dem Fliegerhorst Nörvenich bei Köln. Er sei aber bei dem Einsatz schwer beschädigt worden, teilte die Luftwaffe weiter mit.

Die Zivilmaschine sei für die Gesellschaft für Flugzieldarstellung (GFD, siehe Box) unterwegs gewesen, sagte ein Sprecher der Luftwaffe in Berlin. Zwei Eurofighter und der Learjet hätten sich in der Luft zu einem Manöver getroffen, dabei habe ei­ner der Kampfjets die Zivilmaschine offenbar berührt, sagte der Sprecher. Der Unfall habe sich in einer Höhe von drei bis fünf Kilometern ereignet.
Der General der Flugsicherheit der Bundeswehr sowie die Bundesanstalt für Flugunfalluntersuchung hätten die Ermittlungen an der Absturzstelle aufgenommen. Nach Augenzeugenberichten sollen auch in der Nähe von Wohnhäusern Trümmerteile des Learjets niedergegangen sein. Das Flugzeug war nach der Kollision noch über den Ort geflogen und hinter den letzten Häusern aufgeprallt.
Bei der Bundeswehrmaschine handele es sich, so die Bundeswehr weiter, um einen Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwaders 31. Ein zweiter an der Übung beteiligter Eurofighter sei in Köln-Wahn gelandet, sagte der Luftwaffensprecher. Beide Piloten der Bundeswehr-Jets seien sehr erfahren und hätten die Übung schon sehr oft gemacht, betonte der Kommandant des Taktischen Luftwaffengeschwaders 31, Oberst Andreas Hoppe. Er habe keine Hinweise darauf, wie es zu dem Unfall kommen konnte. Es sei eine Glanzleistung des Piloten des beschädigten Flugzeugs gewesen, seine Maschine wieder sicher zurückzubringen, sagte Hoppe. Bei der Übung sei es um zivile Flugzeuge in Notlagen gegangen, die sich nicht mehr über Funk melden können. Im Ernstfall nehmen in solchen Fällen zwei Eurofighter Sichtkontakt auf und leiten die Maschine zum nächsten Flugplatz, erklärte Hoppe. Ein Eurofighter fliege dabei in einem Abstand von 500 bis 1000 Meter neben dem Zivilflugzeug, das andere etwa drei Kilometer dahinter.

GFD – Gesellschaft für Flugzieldarstellung

Die Gesellschaft für Flugzieldarstellung, kurz GFD, ist seit mehreren Jahren ein Tochterunternehmen der Rüstungssparte des Airbus-Konzerns.
Die Flugzeuge der Firma dienen unter anderem der Luftwaffe als Übungsziele. Ihren Sitz hat die GFD auf dem Flugplatz Hohn in Schleswig-Holstein. Sie hat eine Flotte von elf Learjets, zweimotorigen Geschäftsreiseflugzeugen, in Betrieb.


 „Es war, als hätte eine Bombe eingeschlagen“

Die Bewohner des Dörfchens Elpe stehen nach dem Absturz des Learjets unter Schock

Von Bernd Sangermannund Thomas Winterberg

Olsberg-Elpe. Matthias Hering schüttelt ungläubig den Kopf. „Der Einschlag ist nur knapp 100 Meter von unserem Haus entfernt. Wenn der uns getroffen hätte...“ Der ­46-Jährige spricht den Satz nicht weiter, er will gar nicht darüber nachdenken, was hätte passieren können. Leichenblass zeigt er Bilder, die er kurz nach dem Absturz des Learjets gemacht hat.

„Ich war gerade beim Koffer­packen. Wir wollen morgen ganz früh in den Urlaub fliegen. Nach Mallorca. Und dann plötzlich dieser Knall in der Luft. Das Haus hat richtig gewackelt“, erzählt Hering. Er sei sofort ans Fenster gesprungen und habe dann das Flugzeug gesehen, das raketenartig mit nur noch einem Flügel fast waagerecht über die Wiese geschossen und dann unterhalb des Waldes aufgeschlagen sei. „Dann gab es eine Explosion und einen riesigen Feuerball. Ich habe meinen Augen nicht getraut. Das sah aus wie im Krieg, als wenn eine Bombe eingeschlagen hätte. Dann habe ich gedacht: Vielleicht kannst Du ja noch helfen“, so Hering.

Durch den Garten stürmt er auf die gegenüberliegende Wiese. Auch Monika Joch, die im selben Haus wohnt, steht schon am Gartentor und alarmiert gegen 14.40 Uhr die Feuerwehr. Eine von vielen, die zum Handy greifen und die 112 anrufen. „Wir sind dann gemeinsam zu der Unglücksstelle gelaufen und waren wohl auch die Ersten dort. Vor lauter Qualm konnten wir aber kaum etwas sehen“, berichtet Hering.

Starker Rauch

„Es lagen überall Trümmer herum, die ganze Wiese war voll“, so Monika Joch. Matthias Hering stolpert über eine Turbine, findet unterwegs ein Bordbuch, das er später der Polizei übergibt. Von den Flugzeug­insassen zunächst keine Spur. Aber dann stößt er auf menschliche Überreste. Der Rauch ist inzwischen so stark, dass sich Hering zurück­ziehen muss. „Ich habe die ganze Zeit husten müssen. Die Lunge brennt jetzt noch.“

Wenig später treffen Rettungskräfte und Polizei ein. 54 Feuerwehrleute und 12 Einsatzfahrzeuge sind es. Dazu 15 Rettungssanitäter und fünf Mitarbeiter für die psychosoziale Betreuung der Helfer. Mehrere Rettungshubschrauber stehen noch später auf der Wiese. Sie werden ohne Patienten zurückfliegen. Die Unglücksstelle wird weiträumig abgesperrt, das Feuer gelöscht.

In kleinen Gruppen stehen die Dorfbewohner noch lange zusammen. Der Schreck steht ihnen ins Gesicht geschrieben. „Wir haben ein riesengroßes Glück gehabt“, sagt Monika Joch. Ein Passant glaubt fest daran, dass der Pilot die Maschine im letzten Augenblick von den Häusern weggerissen hat. „Ich habe gesehen, wie zwei Flugzeuge hintereinander in einer Wolke verschwunden sind. Dann gab es einen Knall. Für Überschall waren die zu langsam. Dann ging eine ­Maschine pfeilförmig zu ­Boden“, hat Landschaftsgärtner Markus ­Biene (40) beobachtet.

Derweil zeigt der zehnjährige ­Jonas Joch Metallteile, die er im Garten gefunden hat. „Auf dem Weg da oben sind noch viel mehr.“ Doch die will im Moment niemand sehen, geschweige denn sammeln.
Matthias Hering ist inzwischen in seiner Wohnung. Er schaut auf die Bilder, die er reflexartig geschossen hat. „Nein, nach Kofferpacken steht mir der Kopf überhaupt nicht mehr.“ Immer wieder klingelt das Telefon. Bekannte und Freunde wollen wissen, was passiert ist, ob es der Familie gut geht.

Oberhalb der St.-Lucia-Kirche ­haben Hochsauerlandkreis und Stadt Olsberg unterdessen eine provisorische Pressekonferenz im Kindergarten anberaumt. Kreisbrandmeister Martin Rickert berichtet dort vom Fund eines Fallschirms. Zwei Kilometer entfernt in Altenfeld. „Es kann sich nur um einen Bremsfallschirm handeln. Der Privatjet hatte keine technische Vorrichtung, mit der die Insassen hätten aussteigen können“, sagt der 59-Jährige. Die Überlebenschancen für den zweiten Insassen der Maschine stehen daher sehr schlecht.

Unglaubliches Glück gehabt

Noch in der Pressekonferenz, an der kein Vertreter der Bundeswehr teilnimmt, werden Fragen laut, ob es tatsächlich eine militärische Übung gewesen sei, warum so dicht über Wohngebieten geflogen werde und ob der Kreis über solche Aktionen generell informiert werde.
Fragen, auf die es so kurzfristig keine Antworten gibt. Auch Landrat Dr. Karl Schneider ist nach Elpe gekommen. „Eine ganz schlimme Sache. Aber die Elper haben bei ­allem ein unglaubliches Glück gehabt.“ Er spricht nicht aus, was vielen Menschen durch den Kopf geht. Was wäre, wenn die Maschine eine Schneise durch das 700-Seelen-Dorf gezogen hätte? Nur einen Steinwurf entfernt liegt das Fort-Fun-Abenteuerland.

Immer wieder kreisen Militärhubschrauber über dem Dorf und suchen. Am Abend heißt es plötzlich, der Vermisste sei nun doch gefunden worden. Doch das ist eine Fehlmeldung.


Die Aufarbeitung einer Tragödie

Kontakt mit Experten in ganz Deutschland. Luftraum gesperrt

Olsberg. Was passierte am Montag gegen 14.40 Uhr in drei bis fünf Kilometern Höhe über dem Hochsauerlandkreis? Die Schockstarre nach dem Absturz des Learjets in Olsberg-Elpe weicht der unausweichlichen Aufarbeitung einer Tragödie.

Während an der Absturzstelle am späten Nachmittag Mitarbeiter von Polizei, Feuerwehr, Bundeswehr, Flugunfall-Untersuchung, Staatsanwaltschaft und Luftaufsicht unter Hochdruck versuchten, sich ein erstes Bild zu machen, sind drei Reporter dieser Zeitung bereits wieder in der Redaktion, um ihre Berichte zu schreiben. Erste Meldungen und Fotos aus Elpe haben sie da längst über das Internet und die sozialen Netzwerke abgesetzt.

Derweil haben weitere Kollegen Behörden und Experten in ganz Deutschland kontaktiert, um Hintergründe zusammenzutragen. Archive werden bemüht, andere Nachrichtenquellen ausgewertet und sogar Kollegen an der Ostsee um Unterstützung gebeten.

Ein Ziel lässt sich nicht realisieren: eine Übersicht in Form eines Luftbildes. Der Luftraum ist gesperrt, kein ziviles Flugzeug darf die Unglücksstelle überfliegen. Die Behörden erklären, sie möchten nicht, dass die Ermittlungen durch Überflüge gestört werden.

Gegen Abend ergibt sich für die Redaktion dennoch ein erstes klares Bild, das in den nächsten Tagen immer wieder überprüft und ergänzt werden muss. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung hat bereits angekündigt, dass belastbare Aussagen erst in Wochen vorliegen werden.

(Quelle WR vom 24.06.2014)

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