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Mittwoch, 25. Juni 2014

2014-06-25 Flugzeugabsturz im Sauerland (2)

 

Abgestürztes Flugzeug: Daten-Rekorder gefunden

Zwischenergebnisse erst in vier bis acht Wochen

Olsberg. Nach dem Flugzeugabsturz im Sauerland haben Experten die Daten-Rekorder der Unglücksmaschine gefunden. Erste Zwischenergebnisse werde es erst in vier bis acht Wochen geben, so ein Sprecher der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung. Der Flugdatenschreiber und der Gesprächs-Rekorder aus dem Cockpit seien am Montag sichergestellt und nach Braunschweig zum Behördensitz gebracht worden.

Äußerlich seien die Geräte zerstört, die Mechanik sei aber intakt, sagte der Leiter der Untersuchung, Jens Friedemann. Bisher deute alles auf eine Kollision in der Luft hin.
Zwei Eurofighter der Bundeswehr und die Zivilmaschine sollten am Montag ein Manöver fliegen. Ein Kampfjet touchierte dabei die Zivilmaschine. Sie stürzte über dem Ort Olsberg-Elpe ab.



 „Manöver müssten verboten werden“

Einen Tag nach dem Absturz über Olsberg-Elpe sind die Menschen noch immer aufgewühlt. Wrackteile im Umkreis von drei Kilometern gefunden

Von Katja Voss

Olsberg. Eine unruhige Stille liegt über dem Dorf. Einen Tag nach der Flugzeug-Katastrophe in Olsberg-Elpe ist die Absturzstelle weiterhin abgesperrt. Das Gebiet wird mit Polizeiverstärkung aus Münster weiträumig abgesucht. Einige Wrackteile werden sogar in drei Kilometer Entfernung bei Siedlinghausen und Altenfeld gefunden. Am Absturzort hört man nur die durchfahrenden Autos, leise klingelnde Handys der Experten für Flugunfalluntersuchung und die Moderatoren der Fernsehteams.
Vereinzelt stehen die Elper zusammen auf der Straße oder ihren Terrassen und reden. Sie reden über das, was sie gesehen, gehört und gerochen haben. Langsam realisieren sie, wie viel Glück der 700-Seelen-Ort hatte. Verarbeitet haben die Anwohner das Unglück noch lange nicht. Sie stehen unter Schock.

90 Meter bis zur Wohnbebauung

„Das war wie ein Erdbeben, einfach furchtbar“, sagt Nicole Freisen, die ihre kleine Tochter im Kinderwagen durch den Ort schiebt. „Ich habe zu meinem vierjährigen Sohn noch gesagt: ,Die Flugzeuge sind ganz schön nah.’ Dann habe ich das Plissee am Fenster heruntergezogen, und plötzlich gab es einen Riesenknall und einen Feuerball. Er hat alles mitbekommen und konnte heute Nacht kaum schlafen.“ Die Hände der jungen Mutter zittern. Ihre Augen werden feucht. Sie ist innerlich aufgewühlt. Dazu kommt Wut. Wut auf die Übung über bewohntem Gebiet: „Dass so etwas erlaubt ist, ist eine Frechheit. Es müsste verboten werden.“

Das Flugzeug hat die Wohnbebauung von Elpe knapp verfehlt. Rund 90 Meter ist das nächste Haus von dem Krater entfernt. Für die zwei Piloten besteht keine Hoffnung. Ganz Elpe wird diesen Tag so schnell nicht vergessen. „Es reicht, dass zwei Menschen gestorben sind“, sagt Nicole Hütte, die sich gestern Mittag zum ersten Mal mit ihrer kleinen Tochter nach draußen gewagt hat. „Es war wie im Krieg. Die Ostsee und die Nordsee sind doch groß genug für solche Übungen. Auch wenn die Gegend hier nicht dicht besiedelt ist, geraten dabei dennoch Menschen in Gefahr.“
Ein paar Straßen weiter herrscht Alltag. Der Postbote bringt Briefe, Claudia Lobmeyer nimmt sie in Empfang. „Wir haben Riesenglück gehabt, dass auch keines der größeren Trümmerteile in Elpe oder den anderen Orten heruntergekommen ist.“ Auch sie ist besorgt, dass solche Mannöver über bewohntem Gebiet durchgeführt werden. Aber ihre Gedanken gehen noch weiter: „Die heiße Asche ist auf unseren Autos und sicherlich auch auf unserer Photovoltaikanlage gelandet und teilweise richtig festgebrutzelt. Die Wiesen sind kontaminiert. Wer kommt denn für die Schäden auf?“, fragt Claudia Lobmeyer.

Ergebnis „frühestens in einem Jahr“

Die Frage wird wohl so schnell nicht beantwortet werden können. Jens Friedemann von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) aus Braunschweig leitet die Ursachenforschung in Elpe: „Frühestens in einem Jahr“ könne man mit einem offiziellen Ergebnis rechnen. Bis dahin müssen Wrackteile und die beteiligten Flugzeuge untersucht, Daten ausgewertet und Zeugen vernommen werden.

Die Piloten der beiden Eurofighter wird die BFU erst heute befragen. Bis dahin gehen die Experten davon aus, dass der Learjet mit großer Wahrscheinlichkeit bereits in der Luft zerbrochen ist. Das Flugzeug älteren Baujahrs ist zwar mit einem Flugschreiber ausgestattet, dieser aber sammelt nur einen Bruchteil der Daten, die heute technisch erfassbar sind. Die Eurofighter dagegen sind mit modernster Technik und Cockpit-Kameras ausgestattet. Nach Informationen aus Luftwaffenkreisen haben diese Kameras bereits Bilder von einem Feuerball in der Luft aufgezeichnet. Bis die Elper aber Antworten auf ihre Fragen bekommen, werden Monate vergehen.



„Ein Elper ist so viel wert wie ein Kölner“

Landrat Karl Schneider kritisiert Luftwaffen-Manöver über ländlichen Gebieten

Von Harald Ries und Nina Grunsky

Hagen/Meschede. „Die Luftwaffe ist bemüht, Belästigungen für die Bevölkerung so gering zu halten wie irgend möglich“, sagt ihr Sprecher Hauptmann André Hesse.

Zumindest bis vorgestern scheint ihr das sogar einigermaßen gelungen zu sein. Jedenfalls hatte man im Sauerland keine Ahnung von dem, was sich über den eigenen Köpfen abspielt: „Ich habe nicht gewusst, was dort passiert“, sagt Landrat Karl Schneider. Darüber sei der Kreis nicht informiert worden. Und er fügt hinzu: „Bis Montagnachmittag habe ich mir nicht vorstellen können, dass so etwas hier bei uns stattfindet.“

Nun stellt sich ihm die Frage, ob solche Manöver über bewohnten Gebieten heutzutage überhaupt noch ein probates Mittel sind. Es sei eben nicht möglich, Übungsflüge über menschenleerem Gebiet durchzuführen, erklärt Luftwaffen-Sprecher Hesse darauf. „Dazu ist Deutschland zu dicht besiedelt.“ Und es würde auch nicht ausreichen, Abfangmanöver über der Ost- oder Nordsee oder in Nordamerika durchzuführen: „Die Piloten müssen mit den Verhältnissen im Land vertraut sein.“ Dabei gehe es nicht nur um Berg- und Talformationen, sondern auch um die Kenntnis der Flugplätze, auf denen ein eventueller Eindringling zur Landung gebracht werden solle.

Demnach werde also in ganz Deutschland geübt? Etwa auch in Ballungsgebieten? Zu der Frage macht Hauptmann Hesse keine konkreten Angaben. Aber das Sauerland ist Übungsgebiet? Dort würden regelmäßig Trainingsflüge durchgeführt, bestätigt der Luftwaffen-Sprecher.
Warum ausgerechnet hier, das will Landrat Schneider allerdings nicht recht einleuchten. „Hier wohnen auch Menschen“, sagt er verärgert darüber, dass es am Montagnachmittag beinahe zu einer noch größeren Katastrophe gekommen wäre. „Das Leben eines Elpers ist nicht weniger wert als das eines Kölners“, sagt Schneider.

Es habe sich am Montagnachmittag um ein völlig übliches Manöver gehandelt, betont Hauptmann Hesse, eine normale Trainingsmission, wie sie mehrmals jährlich durchgeführt wurde – „um Schaden von der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden“.

Was aber nicht heißen solle, das Sauerland sei Tiefflugzone. Hesse: „Tiefflüge finden unterhalb von 600 Metern statt, und die Übung am Montag war deutlich oberhalb von 1000 Metern.“

(Quelle WR vom 25.06.2014)

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