"Riut, riut, Sunnenviul!"
Ostentroper pflegen Sauerländer Brauchtum des
"Sonnenvogeljagen"
Von Martin Hageböck
Am 22. Februar eines Jahres ist der kirchliche Gedenktag
"Kathedra Petri", im Volksmund "Sankt Petri Stuhlfeier",
der Tag, an dem Petrus in Rom auf den Heiligen Stuhl kam. Anno 1423 wurde
dieser Tag im Herzogtum Westfalen als Ende des Winter- und Anfang des
Sommerhalbjahres festgesetzt. Speziell im Sauerland entwickelte sich an diesem
Tag der Brauch des "Sonnenvogeljagen". Oft wird er mit dem
beginnenden Frühling sowie dem Vertreiben von Ungeziefer aus den winterlichen
Häusern in Verbindung gebracht. Im Sauerländer Platt wird der
"Sonnenvogel" allgemein als Schmetterling bezeichnet. Mit dem Klopfen
eines Holzhammers an Türen, Schwellen oder Pfosten sollen zum Beispiel Mäuse
aus dem Haus getrieben, sowie der "Sonnenvogel" aus seinem Versteck
gejagt werden.
Erstmals nachgewiesen ist das "Sonnenvogeljagen"
1330 im Oberbergischen. Seit dem 15. Jahrhundert ist der Brauch in Westfalen
überliefert. Seit dem 20. Jahrhundert wird er nur noch selten gepflegt. Auch in
Ostentrop war der Brauch nur noch in der Erinnerung vorhanden, als sich Männer
bei der Feuerwehr Ostentrop dieses schönen Rituals erinnerten. Manfred Hoffmann
und Martin Hageböck ließen federführend das "Sonnenvogel-Kloppen"
Mitte der Neunziger Jahre wieder auferstehen. Seitdem treffen sich Männer und
Kinder immer samstags um den 22. Februar herum, um sich mit selbstgebauten
Holzhämmern auf den Weg durchs Dorf zu machen, um bei jedem Haus zu singen:
Riut,
riut, Sunnenviul (Heraus,
heraus, Sonnenvogel)
Senten
Peiters Dag is niu (Sankt Petrus Tag ist schon da)
Senten
Tigges kommet de no (Sankt Matthias (24. Februar) folgt
danach)
Riut
Kisten riut Kasten (Raus aus Kisten, raus aus Kasten)
De
Miuse mat fasten (Die Mäuse müssen fasten)
Allem
Haddemögge ropp, ropp, ropp (Alle auf den Hardenberg rauf, rauf,
rauf)
Lot
us nit siu lange stohn (Lass uns nicht so lange stehn)
Vie
mat neo ein Hiuschen wieher gohn (Wir müssen noch ein Häuschen
weitergehn)
Allem
Haddemögge ropp, ropp, ropp" (Alle auf den Hardenberg rauf, rauf,
rauf)
(Anmerkung:
.Haddemöqqe", der Hardenberg, ist eine Erhebung in unmittelbarer Nähe des
Ortes)
Die Hausbewohner geben den "Sonnenvogel-Kloppern"
Wegzehrung für das Befreien ihrer Häuser vom Ungeziefer. Eier, Würste, Brot
verschwinden am Abend beim gemeinsamen Essen im Gasthof Melcher in den
hungrigen Mägen, aber die Ostentroper geben auch gerne Geld für soziale Belange
der Dorfgemeinschaft. Höhepunkt für die "Sonnenvogel-Klopper" wird
sicherlich lange das Jahr 2002 bleiben, als das Ostentroper Kirchengeläut mit
der noch fehlenden fünften und größten Glocke ausgestattet wurde. 35.000 Euro
galt es zu stemmen! Manfred Hoffmann hatte Ende der Neunziger Jahre die Idee,
mit den Sonnenvogel-Kloppern den Grundstock dafür zu sammeln. Alsbald wurde es
zum Selbstläufer. Neben rund 6.000 Euro gesammeltem Geld, wurde der notwendige
Renovierungsanstrich des Glockenstuhls von den "Sonnenvogel-Kloppern"
durchgeführt und mit 6.000 Euro vom Erzbistum Paderborn honoriert. Spenden aus
dem Dorf brachten innerhalb kürzester Zeit das erforderliche Geld zusammen, so
dass am 8. März 2002 die Glocke in der Traditionsgießerei Petit & Gebr.
Edelbrock in Gescher gegossen wurde. Die feierliche Glockenweihe, an der
natürlich die "Sonnenvogel-Klopper" mit ihren Holzhämmern den Wagen
mit der Glocke bei Ihrer Fahrt durchs Dorf begleiteten, fand am 8. September
2002 statt und der Einbau in den Kirchturm am 16. September 2002. In diesem
Jahr wollen die "Sonnenvogel-Klopper" ein Projekt der örtlichen
Jungendfeuerwehr fördern. Weitere Maßnahmen sind noch offen, lassen aber
bestimmt nicht lange auf sich warten. Und immer wenn das schöne Ostentroper
Kirchengeläut ertönt und auch in Wald und Flur in weiter Ferne zu hören ist,
dann hört es sich auch ein bisschen an, als wenn die größte Glocke ruft:
"Riut, riut, Sunnenviul!"
Fotoinformation:
Die Sonnenvogel-Klopper 2014 vor der alten Ostentroper
Stahlglocke am alten Kapellenplatz. (Foto: Martin Hageböck)