Von Gunnar Steinbach
Finnentrop. „Josefa Berens, Maria Kahle – Nazi-Kultur und
Geschichtsgedächtnis im katholischen Sauerland“ lautete das Thema einer
Informationsveranstaltung, zu der Kreisheimatbund und der Heimatbund
Gemeinde Finnentrop am Montag ins Finnentroper Kino geladen hatten.
Referent war der Düsseldorfer Theologe und Publizist Peter Bürger,
Leiter des Christine Koch-Mundartarchivs, Museum Eslohe.
„Straßennamen“, so Bürger, „sind Fenster in die Vergangenheit“, und
deshalb sei kritisch zu prüfen, ob die auf diese Weise Herausgehobenen
diese Ehrung tatsächlich verdienten. Eine Frage, die sich angesichts
ihrer Schriften im Falle von Maria Kahle und Josefa Berens von alleine
beantworte.
In seinen Arbeiten zeichnet Bürger Leben und Werk der beiden nach,
die als prominente Nazipropagandistinnen eine Blut- und Bodenideologie
vertraten und mit rassistischen sowie antisemitischen Hetzschriften den
Naziverbrechen den Boden bereiteten.
Auch für Bürger überraschend, meldete sich am Montagabend mit Josef
Rademacher aus Schliprüthen ein Zeitzeuge, der über ein Treffen mit
Josefa Berens berichtete. Gemeinsam mit dem Schauspieler, Regisseur und
Intendanten Gustaf Gründgens besuchte Rademacher 1957 Josefa Berens in
Saalhausen. „Ein Satz“, so Rademacher, „ist mir dabei in Erinnerung
geblieben. Sie sagte: Man hätte das jüdische Volk viel früher ausrotten
müssen, weil es eine latente Gefahr für die Reinheit der arischen Rasse
ist.“
Sie wussten es nicht besser.
So klar wie die Verankerung der beiden im Nationalsozialismus, so
schwierig die Antwort auf die Frage, wie es Berens und Kahle dreißig
Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs auf Straßenschilder schaffen
konnten. Bürger erhebt keinen Vorwurf an die damals Verantwortlichen. Im
Gegenteil: „Sie wussten es nicht besser.“ Als Kronzeuge für das
„Nichtwissen“ zitierte Bürger sich selbst. Als Mitherausgeber der
Autobiographie von Josefa Berens „Alles ist Wandel“ hatte er noch 1992
ein sehr wohlwollendes und verharmlosendes Vorwort geschrieben. Wie war
das möglich?
Bürger erinnerte zunächst daran, dass das Sauerland für die Nazis
eine „harte Nuss“ war. Die Stimmenanteile der NSDAP waren teilweise
verschwindend gering, gewählt wurde das Zentrum. Josefa Berens selbst
beklagt, dass „die Schwarzen (gemeint sind Priester und das Zentrum)
einen vollen Anschluss an die neue Hitler-Zeit noch sabotieren.“ Die
Distanz zu den braunen „Christus-Feinden“ bedeutete aber nicht
Widerstand, „sondern ein Sich-Arrangieren im Mitläufertum“, so Bürger.
Dieses verbreitete Mitläufertum sei normal gewesen, fast eine Art
Naturgesetz. Nach dem Krieg habe man geschwiegen. Geschwiegen über das
Mitläufertum, geschwiegen über die nahen Opfer, aber auch geschwiegen
über die, die sich aufgelehnt und damit gegen das „Naturgesetz“
verstoßen hatten. Peter Bürger erinnerte an das Beispiel von Josef
Rüther aus Olsberg, der als katholischer Antifaschist von den Nazis
verfolgt wurde und sich noch in den 50er Jahren mit dem Vorwurf
konfrontiert sah, er habe durch seine unbeugsame Haltung sich und seine
Familie gefährdet.
Es sei zu einem normalen Verdrängungsprozess gekommen, der dazu
geführt habe, dass selbst Tiefbraune Orden verpasst bekamen und in
höchste Ämter befördert wurden.
Es könnte so einfach sein
Peter Bürger appellierte an alle Beteiligten, die Diskussion um
Straßennamen nicht zu einem Parteien-Gezänk werden zu lassen, sondern
nach Möglichkeit einen gemeinsamen Entschluss zu fassen. Insbesondere in
Finnentrop könne das so einfach sein, da man mit Maria Autsch, Pater
Kilian Kirchhoff und Josef Quinke aus Fretter drei Widerständler in den
eigenen Reihen habe, die für ihre unbeugsame Haltung mit dem Leben
bezahlt hätten.
(Quelle WR vom 26.2.2014)
Ankündigung der Vortragsveranstaltung vom 19.02.2014 (Quelle WR vom 19.02.2014):
Vortrag im Finnentroper Kino
Nazi-Kultur und Geschichtsgedächtnis
Finnentrop. Am Montag, 24. Februar, um 18.30 Uhr wird der
Düsseldorfer Theologe und Publizist Peter Bürger im Kino bei der
Festhalle Finnentrop einen Vortrag zum Thema „Josefa Berens, Maria Kahle
– Nazi-Kultur und Geschichtsgedächtnis im katholischen Sauerland“
halten. Zu dieser Veranstaltung laden der Kreisheimatbund Olpe und der
Heimatbund Gemeinde Finnentrop alle Interessierten, insbesondere die
Anwohner der nach diesen Schriftstellerinnen benannten Straßen in
Finnentrop-Bamenohl und in Lennestadt-Gleierbrück, herzlich ein.
Der völkische Flügel
Als Leiter des Christine-Koch-Mundartarchivs am Museum Eslohe hat
Peter Bürger bereits vor einem Jahr in seiner Dokumentation unter den
Titel „Der völkische Flügel der sauerländer Heimatbewegung“ auch die
Benennung von Straßen nach Heimatdichtern mit nationalsozialistischem
Hintergrund diskutiert und um die Umbenennung der Straßen gebeten. In
seinem Vortrag möchte er aufzeigen, dass es hierbei auch um
Heimatpatriotismus und um unsere Gegenwart geht.
Das Christine-Koch-Mundartarchiv kündigt an, noch in diesem Frühjahr
in Zusammenarbeit mit dem Kreisheimatbund Olpe zwei weitere spezielle
Internetdokumentationen zu Josefa Berens und Maria Kahle zu
veröffentlichen. Außer der Reihe soll auch ein Heft zu den drei großen
Christen aus Finnentrop, namentlich Maria Autsch, Pater Kilian Kirchhoff
und Josef Quinke, erscheinen, die ihren Widerstand gegen das
Hitler-System mit dem Leben bezahlen mussten.