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Dienstag, 22. April 2014

2014-04 Finnentrop-Mittendrin, Ausgabe 2 - Frühjahr 2014 (Bericht "Sonnenvogeljagen")



"Riut, riut, Sunnenviul!"

Ostentroper pflegen Sauerländer Brauchtum des "Sonnenvogeljagen"

Von Martin Hageböck


Am 22. Februar eines Jahres ist der kirchliche Gedenktag "Kathedra Petri", im Volksmund "Sankt Petri Stuhlfeier", der Tag, an dem Petrus in Rom auf den Heiligen Stuhl kam. Anno 1423 wurde dieser Tag im Herzogtum Westfalen als Ende des Winter- und Anfang des Sommerhalbjahres festgesetzt. Speziell im Sauerland entwickelte sich an diesem Tag der Brauch des "Sonnenvogeljagen". Oft wird er mit dem beginnenden Frühling sowie dem Vertreiben von Ungeziefer aus den winterlichen Häusern in Verbindung gebracht. Im Sauerländer Platt wird der "Sonnenvogel" allgemein als Schmetterling bezeichnet. Mit dem Klopfen eines Holzhammers an Türen, Schwellen oder Pfosten sollen zum Beispiel Mäuse aus dem Haus getrieben, sowie der "Sonnenvogel" aus seinem Versteck gejagt werden.

Erstmals nachgewiesen ist das "Sonnenvogeljagen" 1330 im Oberbergischen. Seit dem 15. Jahrhundert ist der Brauch in Westfalen überliefert. Seit dem 20. Jahrhundert wird er nur noch selten gepflegt. Auch in Ostentrop war der Brauch nur noch in der Erinnerung vorhanden, als sich Männer bei der Feuerwehr Ostentrop dieses schönen Rituals erinnerten. Manfred Hoffmann und Martin Hageböck ließen federführend das "Sonnenvogel-Kloppen" Mitte der Neunziger Jahre wieder auferstehen. Seitdem treffen sich Männer und Kinder immer samstags um den 22. Februar herum, um sich mit selbstgebauten Holzhämmern auf den Weg durchs Dorf zu machen, um bei jedem Haus zu singen:

Riut, riut, Sunnenviul                                                   (Heraus, heraus, Sonnenvogel)
Senten Peiters Dag is niu                                            (Sankt Petrus Tag ist schon da)
Senten Tigges kommet de no                                    (Sankt Matthias (24. Februar) folgt danach)
Riut Kisten riut Kasten                                                 (Raus aus Kisten, raus aus Kasten)
De Miuse mat fasten                                                   (Die Mäuse müssen fasten)
Allem Haddemögge ropp, ropp, ropp                      (Alle auf den Hardenberg rauf, rauf, rauf)
Lot us nit siu lange stohn                                            (Lass uns nicht so lange stehn)
Vie mat neo ein Hiuschen wieher gohn                   (Wir müssen noch ein Häuschen weitergehn)
Allem Haddemögge ropp, ropp, ropp"                    (Alle auf den Hardenberg rauf, rauf, rauf)

(Anmerkung: .Haddemöqqe", der Hardenberg, ist eine Erhebung in unmittelbarer Nähe des Ortes)

Die Hausbewohner geben den "Sonnenvogel-Kloppern" Wegzehrung für das Befreien ihrer Häuser vom Ungeziefer. Eier, Würste, Brot verschwinden am Abend beim gemeinsamen Essen im Gasthof Melcher in den hungrigen Mägen, aber die Ostentroper geben auch gerne Geld für soziale Belange der Dorfgemeinschaft. Höhepunkt für die "Sonnenvogel-Klopper" wird sicherlich lange das Jahr 2002 bleiben, als das Ostentroper Kirchengeläut mit der noch fehlenden fünften und größten Glocke ausgestattet wurde. 35.000 Euro galt es zu stemmen! Manfred Hoffmann hatte Ende der Neunziger Jahre die Idee, mit den Sonnenvogel-Kloppern den Grundstock dafür zu sammeln. Alsbald wurde es zum Selbstläufer. Neben rund 6.000 Euro gesammeltem Geld, wurde der notwendige Renovierungsanstrich des Glockenstuhls von den "Sonnenvogel-Kloppern" durchgeführt und mit 6.000 Euro vom Erzbistum Paderborn honoriert. Spenden aus dem Dorf brachten innerhalb kürzester Zeit das erforderliche Geld zusammen, so dass am 8. März 2002 die Glocke in der Traditionsgießerei Petit & Gebr. Edelbrock in Gescher gegossen wurde. Die feierliche Glockenweihe, an der natürlich die "Sonnenvogel-Klopper" mit ihren Holzhämmern den Wagen mit der Glocke bei Ihrer Fahrt durchs Dorf begleiteten, fand am 8. September 2002 statt und der Einbau in den Kirchturm am 16. September 2002. In diesem Jahr wollen die "Sonnenvogel-Klopper" ein Projekt der örtlichen Jungendfeuerwehr fördern. Weitere Maßnahmen sind noch offen, lassen aber bestimmt nicht lange auf sich warten. Und immer wenn das schöne Ostentroper Kirchengeläut ertönt und auch in Wald und Flur in weiter Ferne zu hören ist, dann hört es sich auch ein bisschen an, als wenn die größte Glocke ruft: "Riut, riut, Sunnenviul!"

Fotoinformation:
Die Sonnenvogel-Klopper 2014 vor der alten Ostentroper Stahlglocke am alten Kapellenplatz. (Foto: Martin Hageböck)


 


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