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Mittwoch, 9. Juli 2014

2014-07-14 Der Finnentroper Bahnübergang ist Geschichte


Der Finnentroper Bahnübergang ist Geschichte
Autofahrer tasten sich ungläubig in neue Verkehrsführung. Bau- und Planungskosten 20 Millionen Euro
Von Gunnar Steinbach

Finnentrop. Kein Minister hielt eine Rede, kein Bauleiter zog Bilanz, kein Bürgermeister betete Dankadressen herunter. Trotzdem war dieser regnerische Dienstag für Finnentrop ein historischer Tag. Um 9.32 Uhr wurden am neuen Kreisel die letzten Baken beiseite geräumt, seither fließt der Verkehr über die neuen Brücken - der Bahnübergang ist Geschichte.

Wobei die Behauptung, „der Verkehr fließt“ nicht ganz richtig ist, denn gewartet wird in Finnentrop nach wie vor, nur jetzt vor einer Ampel und an anderer Stelle, aber das Ende ist - tatsächlich - absehbar. Der Anschluss der neuen Trasse an die L 539 ist derzeit nur einspurig befahrbar, aber spätestens im September soll, so Matthias Alfes (Bauaufsicht Landesstraßen NRW) auch dieses Nadelöhr verschwunden sein.

Richtig flüssig lief es gestern Morgen aber auch aus anderen Gründen nicht. Viele Autofahrer auf der B 236 trauten dem Braten nicht und tasteten sich zurückhaltend in die neue Verkehrsführung, andere ignorierten sicherheitshalber die neuen Hinweisschilder, hörten brav auf das Navigationsgerät und versuchten vergeblich am gesperrten Bahnübergang in Richtung Attendorn abzubiegen. Das genervte Hupen von denen, die schneller begreifen, wird seltener werden.

Sperrung massi gesichert

Gesperrt worden ist der Bahnübergang an der Bundesstraße mit rotweißen Sperren, „die“, so Matthias Alfes, „massiv gesichert werden.“ Die Siegener Straßenbauer stehen bei der Bahn im Wort, die auf der bestmöglichen Absicherung bestand.

Lediglich auf der linken Seite bleibt eine kleine, schrankengesicherte Lücke für Fußgänger, denn die können für eine Übergangszeit die alte Brücke noch benutzen. Womit auch klar ist, dass die Schranken weiter in Betrieb bleiben, vor jedem Zug werden sie sich schließen und anschließend wieder öffnen. Gleiches gilt für die mit den Schranken gekoppelte Ampelanlage: Auch die wird weiterhin in Betrieb bleiben. Nur sehen wird das niemand mehr, da die Ampeln einen Sack übergestülpt bekommen: „Die Bahn kann nicht so einfach abschalten“, erklärt Matthias Alfes, „sonst käme bei denen einiges durcheinander.“ Irgendwann werden aber auch die sensibelsten Eisenbahner-Köpfe die Situation zur Kenntnis nehmen müssen, denn im Oktober soll die alte Brücke abgerissen werden.

Für Fußgänger brechen dann harte Zeiten an. Die neue Fußgängerbrücke wird zwar schon in diesem Jahr ausgeschrieben, Baubeginn wird aber wohl nicht vor Anfang 2015 sein.

27 Jahre planen & bauen mit Bund, Bahn und Land
Start war holprig, dann wurde alles nur noch schlimmer

Finnentrop. 1987, ein Jahr zuvor hatte Deutschland das WM-Finale in Mexiko gegen Argentinien verloren, fasste der Finnentroper Rat seinen ersten Beschluss zur Beseitigung des Bahnübergangs. Bis am 8. Juli 2014 Vollzug gemeldet wird, vergehen 27 Jahre! Holprig war bereits der Start, denn der Ratsbeschluss 1987 war einer für die sogenannte A1-Lösung, die die L 539 ab Altfinnentrop um den Rittberg auf die Finnentroper Straße in Bamenohl leiten wollte. Widerstand gab’s von der Firma Thyssen, einer BI und Teilen der CDU.

Keine Chance auf Realisierung hatte die Variante durch die damals vom Gesetzgeber erstmals geforderte Umweltverträglichkeitsprüfung, in der unter anderem wegen einer Verlegung des Bachbettes der Bigge kaum zu überwindende Hürden aufgebaut wurden.

Der sogenannte „Geistesblitz der Verwaltung“ brachte Bewegung in die Angelegenheit. Allerdings dauerte es bis Februar 1993, bis sich der Rat für die C3-Variante aussprach. Bereits ein Jahr später wurden die Planungen durch das Verkehrsministerium genehmigt.

Sechs Jahre brauchte das Landesstraßenbauamt bzw. der später so umbenannte Landesbetrieb Straßenbau NRW, um das Planfeststellungsverfahren abzuschließen. Nach Einwendungen durch Bürger gegen die Kreuzung im Bereich der Gaststätte „Alter Hof“ gab es 2003 ein erneutes Planfeststellungsverfahren, in dem die Kreuzung durch einen Kreisel ersetzt wurde. 2004 erfolgte der Planfeststellungsbeschluss, danach bestand Baurecht.

Gebaut wurde deshalb aber noch lange nicht. Zwei Jahre lang passierte gar nichts, 2006 begannen die Gespräche über eine Eisenbahnkreuzungsvereinbarung, in der die Kosten zwischen Bund, Land und Bahn verteilt wurden. Erst 2008 begann die Bahn mit ihren Planungen. Dabei stellte sich heraus, dass die für 2010 geplante Vollsperrung der Ruhr-Sieg-Strecke nicht möglich war, weil zeitgleich auf der Rhein-Schiene ebenfalls Arbeiten geplant waren, und die Ruhr-Sieg-Strecke als Umleitung diente. gus

Erst Mautstation, dann Schranke

Die Geschichte des Bahnübergangs in Finnentrop reicht länger zurück, als es das 2011 gefeierte 150-jährige Jubiläum der Ruhr-Sieg-Streckevermuten lässt. Gewartet wurden in Finnentrop schon länger. In den 1840er Jahren gab es im Bereich des Bahnübergangs eine Barriere, an der diejenigen, die ins Biggetal wollten, ein Wegegeld zahlen mussten. Eine Mautstation - topaktuell!

(Quelle WR vom 9.7.2014)

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