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Dienstag, 14. Oktober 2014

2014-10-14 Verhindern wollen, ist der größte Fehler

Verhindern wollen, ist der größte Fehler
Interview mit Städteplaner Michael Ahn: Bürgerwindparks durch die Planung nicht zu erzwingen
Von Josef Schmidt

Kreis Olpe. Das Thema „Windenergie“ ist in vielen Regionen, auch im Kreis Olpe, ein politischer und gesellschaftlicher Dauerbrenner geworden. Viele Städte und Gemeinden sind auf dem Weg, die Windkraftanlagen in sogenannten Konzentrationszonen zu bündeln. Drolshagen und Finnentrop hilft bei der Planung das Coesfelder Büro WoltersPartner. Wir hatten die Gelegenheit, mit Städteplaner Dipl.-Ing. Michael Ahn, geschäftsführender Gesellschafter von WoltersPartner, zu sprechen.

Frage: Für wie viele Städte und Gemeinden arbeiten Sie derzeit in NRW in Sachen ,Windenergie’?Michael Ahn: Ungefähr 40. Wie viele im Kreis Olpe? Finnentrop und Drolshagen sind die einzigen bisher. Wie stehen Sie grundsätzlich zur Windenergie - als Bürger, nicht als Stadtplaner?Als Bürger sehe ich das als ein notwendiges Übel. Warum Übel? Weil die Auswirkungen auf unsere Landschaft, auf unser Landschaftsbild, aber auch auf unsere Ortsbilder, doch so sind, dass man bei Vielem, was man als natürliche Landschaft erleben kann, den Maßstab verliert.Warum notwendig? Ich bin für den unbedingten Atomausstieg. Und sehen die Windenergie als sinnvollste Alternative? Als die effektivste im Moment. Welches sind die drei größten Fehler, die eine Kommune bei der Aufstellung eines Flächennutzungsplanes machen kann, in dem sie Vorrangzonen installieren möchte?Der erste große Fehler wäre es, verhindern zu wollen. Das ist der allergrößte Fehler. Das kippt auch vor Gericht immer. Der zweite Fehler ist es, nicht schlüssig abzuwägen.Was heißt das genau? Ahn: Mit verschiedenem Maß messen. Eine Abwägung muss ja immer gerecht sein. Und wenn ich in dem Fall ungerecht werde, gewisse Dinge einfach vernachlässige oder überbewerte, mache ich einen Abwägungsfehler. Und das bedeutet dann auch, dass meine Planung rechtsunsicher wird und die Gefahr besteht, vor Gericht zu verlieren.Können Sie ein Beispiel nennen? Da gibt es im Ort eine Gruppe, die kennt man, die wollen da ein paar Windenergieanlagen hinstellen. Das sind dann auch noch Bürger aus dem Ort. Auf die fokussiert man sich. Und für die macht man die Planung passend. Das muss nicht einmal bewusst sein. Man hat im Kopf: Die müssen das irgendwie hinkriegen und biegt seine Abwägung dann hin zu so einem Ziel. Das ist fatal, das deckt ein Richter auf.Und der dritte Fehler? Fehlende Transparenz. Es gibt immer noch Kommunen, die so etwas im stillen Kämmerlein machen und nicht wirklich die Karten offen auf den Tisch legen. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass der Politiker in solchen Fällen Rückgrat zeigen muss.Also ihr unbedingter Rat ist: Raus in die Öffentlichkeit? Auf jeden Fall. Das Thema muss offen diskutiert werden. Der Bürger muss sehen, was die Politik treibt, was sie eigentlich vorhat und warum sie es tun will. Denn man muss ja sehen, dass man mit dieser Konzentration auch konzentriert ganz bestimmte Leute trifft. Und die haben ein Recht darauf, zu wissen, warum man das tut.Was passiert, wenn ein potenzieller Betreiber einer Windkraftanlage gegen einen solchen Flächennutzungsplan klagt und gewinnt?Zunächst: Das geht nur ein Jahr nach Planveröffentlichung. Es klingt so, als könnte man permanent gegen so einen Plan vorgehen. So ist es nicht. Wenn es aber einem gelingt, innerhalb eines Jahres eine Normenkontrolle gegen einen solchen Plan durchzusetzen, geht der Plan schlichtweg verloren, und man hat keine Steuerung mehr.Was bedeutet das für diese Kommune dann ganz konkret? Beispiel Büren.Dort hat man es ja gesehen. Dann werden Bauanträge für die einzelnen Windräder gestellt, die für sich genommen auch funktionieren.Wie viele waren das in Büren? An die 50. In welchem Zeitraum? Etwa in einem halben Jahr. Und was ist draus geworden? Es wurden eine ganze Menge zurückgestellt, es wurden aber auch viele gebaut, etwa 25 Anlagen.Das ist ja für eine Kommune, die eher so wenig wie möglich Windkraft haben wollte, eine Katastrophe.Es ist faktisch so, dass die Kommune dann keine Bremse mehr hat, um eine Anlage zu verhindern. Der Richterspruch sagt ja, der Plan ist ungültig. Das ist so, als hätte man den Plan gar nicht gemacht.Wie viele Windräder, glauben Sie, müssen die Kommunen im Kreis Olpe zulassen?Das kann ich nicht sagen, wir sind ja auch nur für zwei Gemeinden hier tätig. Wie viele in Drolshagen, wie viele in Finnentrop? Aus meiner Sicht mindestens so viele, dass die Kommune ihren kompletten Energieverbrauch regenerativ erzeugt. Großstädte schaffen das natürlich nicht, aber die Landgemeinden haben ja nun mal mehr Fläche. In Drolshagen ist das einfach zu ermitteln, wenn man den genauen Stromverbrauch kennt. Da gehören übrigens auch die Energie intensiven Betriebe dazu. Das hatte der Bürgermeister von Drolshagen ja auch angesprochen. Aber Unternehmen gehören zum Leben dazu. Die kann man nicht ausklammern.Wie viel Strom schafft denn eine gute Anlage? Eine moderne Anlage in einer guten Lage im Mittelgebirge, die schafft so etwa 7 000 Megawatt-Stunden pro Jahr. Dann kann man einfach ausrechnen, wie viele Anlagen Drolshagen braucht.Kann eine Stadt steuern, dass ausschließlich Bürgerwindparks auf ihrem Gebiet gebaut werden?Ganz definitiv nein. Die Frage der Betreibergesellschaften wird von EU-Recht geregelt. Das hängt mit dem Diskriminierungsverbot zusammen. Es darf niemand diskriminiert werden. Wenn also jetzt ein Schweizer, ein spanisches oder ein niederländisches Unternehmen in Drolshagen einen Windpark machen will, kann ich als Stadt das nicht verhindern, nur, weil es Schweizer sind, Spanier oder Niederländer. Die Rechtsprechung in Deutschland ist da ganz klar.Thema Artenschutz: Brauchen fanatische Windkraftgegner nur Rotmilane und Schwarzstörche zu züchten und sie in potenziellen Vorrangzonen aussetzen, und schon ist die Zone raus aus dem Rennen?Schön formuliert, aber so einfach ist es nun doch nicht. Artenschutz ist EU-Recht, mit in der Tat sehr strengen Maßstäben. Aber so einen Rotmilan aussetzen und an der richtigen Stelle fotografieren, das dürfte kaum funktionieren. Denn es gibt ja vor Ort Fachbehörden, die schauen da genau hin, auch über einen längeren Zeitraum.Welches ist ein striktes, also hartes Ausschluss-Kriterium? Ein ganz hartes Kriterium ist ein Naturschutzgebiet. Das ist wie ein Gesetz, und da steht drin: Bauverbot. Ganz klipp und klar.Und ein weiches Kriterium? Das weicheste Kriterium, das ich überhaupt kenne, ist das Landschaftsbild. Kann also greifen oder nicht, oder wie ist das zu verstehen? Es gibt Urteile. Beispielsweise eines vom Bundesverwaltungsgericht, das ganz klar sagt: Die Größe und technische Fremdartigkeit sind kein Grund, die Dinger als unanständig zu brandmarken.Wie steht es um den Infraschall? Wird immer wieder vorgebracht. Jede Windkraftanlage erzeugt natürlich Infraschall. Die Frage ist aber das Maß. Und das Maß ist bis heute nachgewiesen und ständig überprüft von Fachbehörden beispielsweise in NRW und Bayern. Ergebnis: Es gibt keinen Schädigungsnachweis.Würden Sie Kommunen abraten, sich selbst an solchen Planungen zu versuchen, weil das benötigte Wissen einfach zu speziell ist?Das Wissen ist extrem speziell. Es gibt in NRW, glaube ich, mittlerweile nur noch etwa eine Hand voll Planer, die da überhaupt noch einigermaßen Oberwasser haben und wissen, worum es geht. Die Kommunen brauchen da dringend Hilfe. Das ist überhaupt keine Frage. Es gibt Ecken in NRW, da ist keine Planung erforderlich. Im Kreis Olpe aber überall.In Drolshagen wurde erwähnt, dass es schon Gespräche in Richtung interkommunale Vorrangzone mit Olpe und Wenden gegeben habe. Ist die interkommunale Konzentrationszone das Ei des Kolumbus?Das halte ich für übertrieben. Es wird seitens der übergeordneten Behörden gerne gesehen. Aber: Die Planung wird bedeutend komplizierter. Da müssen drei Räte abwägen. Und das muss sauber abgetaktet sein. Auf der anderen Seite, ganz klar: Es kommt der Sache deutlich entgegen.Eignet sich die anvisierte gemeinsame Fläche in Olpe, Wenden, Drolshagen dafür?Natürlich. Wenn die es hinkriegen würden, wäre es ein echter Gewinn.


Echter Sauerländer

Michael Ahn ist gebürtiger Sauerländer (Bad Fredeburg), 54 Jahre alt, und von Beruf Diplom-Ingenieur für Stadtplanung.

Ahn wohnt in Coesfeld und ist geschäftsführender Gesellschafter derWoltersPartner GmbH, die für zahlreiche Kommunen in NRW arbeitet, im Kreis Olpe für Drolshagen und Finnentrop.

(Quelle WR vom 14.10.2014)

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