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Dienstag, 11. Februar 2014

2014-02-07 Sieben (Stolper-)Steine erinnern an sieben jüdische Schicksale

Sieben Steine erinnern an sieben jüdische Schicksale

Die Geschichte von Max, Jenny, Erich, Henny, Ilse, Werner und Grete Jacob aus Lenhausen darf nicht vergessen werden

Von Gunnar Steinbach

Lenhausen. In der Fetterbachstraße in Lenhausen, dort, wo einst Wohnhaus und die Metzgerei Jacob standen, verlegte gestern der Künstler Gunter Demnig sieben Stolpersteine zum Gedenken an die jüdische Familie. Vier Familienmitglieder wurden von den Nationalsozialisten ermordet, zwei konnten fliehen, der jüngste Sohn Werner Jacob überlebte in acht verschiedenen Konzentrationslagern.

Bürgermeister Dietmar Heß hob hervor, dass es uns allen gut tue, vor Ort an die Verbrechen erinnert zu werden. Da die Dimension des Geschehens unsere Vorstellungskraft übersteige, sei es gut, wenn aus der Anonymität und der Masse, in der keine Individuen mehr wahrgenommen würden, an Menschen und ihre Schicksale erinnert werde. „Damit sicher ist, dass sich das dunkelste Kapitel in unserer Geschichte nicht wiederholt, brauchen wir die Erinnerung.“

Während dann Gunter Demnig die Stolpersteine verlegte, verlas Martin Vollmert von Doris Kennemann verfasste Texte zur Leidensgeschichte der Familie Jacob.
Vater Meier Max Jacob, geboren am 20.Februar 1885, kam 1910 als Metzgergeselle von Freienohl nach Lenhausen, nachdem er geheiratet hatte. Er war der erste Lenhauser, der am 1. August 1914 als Soldat am ersten Weltkrieg teilnahm und wurde für Tapferkeit vor dem Feind mit dem Eisernen Kreuz I. und II. Klasse ausgezeichnet.

Meier Max Jacob war Mitglied im Lenhauser Schützenverein, sogar Offizier. Die Familie Jacob wohnte dort, wo heute das Feuerwehrhaus steht. Nach dem Attentat auf den deutschen Diplomaten Ernst von Rath am 7. November 1938 in Paris, das den Nationalsozialisten als Vorwand für die Reichspogromnacht diente, wurden Meier Max Jacob und sein Sohn Werner am 11. November in sogenannte Schutzhaft genommen und in Einzelzellen des Amtsgerichts Grevenbrück inhaftiert. Meier Max Jacob für drei Wochen, sein Sohn sechs Wochen lang, weil er vergessen worden war. 1941/42 begannen die Transporte deutscher Juden in den Osten. Meier Max Jacob, seine Frau Jenny und Tochter Grete wurden am 27. April 1942 verhaftet und am nächsten Morgen nach Dortmund zur Deportation abtransportiert. Mit anderen sauerländischen Juden wurden sie in das KZ und Arbeitslager Zamose (Samosc) bei Lublin in Polen verbracht, wo Meier Max Jacob im November 1942 starb.

Mutter Jenny Jacob war eine geborene Grüneberg, geboren am 26. März 1883 in Allendorf. Ihre Mutter, geborene Frank, stammte aus Lenhausen. Am 28. April 1942 schrieb sie vor ihrer Deportation eine letzte Postkarte an ihren Sohn Werner in Lenhausen. Sie starb kurz nach der Ankunft im KZ im Mai 1942.
 

Erich Jakob war Schützenkönig


Sohn Erich Jakob wurde am 20. Mai 1911 in Lenhausen geboren. Er war Mitglied im DJK-Sportverein und spielte in der zweiten Fußballmannschaft. Auch er war Mitglied des Schützenvereins und 1931/32 Schützenkönig. Von Beruf war er Metzger. Am 30. Juni 1937 wurde er wegen angeblich „versuchter Rassenschande“ verhaftet und saß zunächst neun Monate im Gefängnis. Das angeblich beteiligte Mädchen wurde unter Schlägen zu einer Aussage gezwungen, widerrief sie aber anschließend. Trotzdem wurde Erich Jakob am 8. April 1938 zu einer Zuchthausstrafe von 15 Monaten verurteilt. Bei seiner Entlassung führte ihn die Gestapo ab und lieferte ihn in das KZ Buchenwald ein. Dort soll er laut offizieller Todesmeldung an einer Lungenentzündung gestorben sein. Sein Bruder Werner erfuhr jedoch von Mithäftlingen, dass Erich am 9. November willkürlich erschossen wurde aus Rache für das angebliche Attentat am 8. November auf Hitler.
Flucht nach Südfrankreich
Henny Jakob wurde am 30. März 1913 in Lenhausen geboren. Sie heiratete den Juden Paul Vogelsang aus Dortmund. Henny emigrierte 1937 nach Belgien und flüchtete später nach Südfrankreich. Dort wurde sie interniert. Ihr Mann wurde 1943 ausgeliefert, Henny nicht, weil sie schwanger war. Paul Vogelsang starb im KZ Auschwitz. Henny Jacob-Vogelsang wanderte 1947 mit ihrer Tochter in die USA aus.

Ilse Jacob wurde am 16. Januar 1915 in Lenhausen geboren. Auch sie emigrierte und zwar 1939 nach England. Ihr Versuch, gemeinsam mit ihrer Schwester Henny den Bruder Erich für 1000 britische Pfund aus dem KZ auszulösen, scheiterte. Nach dem zweiten Weltkrieg verzog sie zunächst nach Luxemburg und heiratete dort. 1954 wanderte sie wie ihre Schwester mit Ehemann und Tochter in die USA aus.

Werner Jacob wurde am 29. Mai 1920 in Lenhausen geboren. Auch er war wie sein Bruder Mitglied im DJK-Sportverein. Nach dem Besuch der Volksschule in Lenhausen ging er bei seinem Vater in die Metzgerlehre und legte 1937 die Gesellenprüfung ab. Er heiratete in erster Ehe am 8. Dezember 1942 die aus einer jüdischen Familie stammende Irmgard Philipp. Beide lebten in Meschede, von wo sie am 26. Februar 1943 mit 3200 Männern, Frauen und Kindern nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden. Irmgard wurde am 3.März 1943 bei der Ankunft im Vernichtungslager Birkenau mit ihren Eltern als „arbeitsunfähig“ selektiert und in der Gaskammer ermordet. Werner Jacob durchlitt und überlebte bis Kriegsende sieben weitere Konzentrationslager in Monowitz, Jaschowno, Auschwitz, Sachsenhausen, Ohrdruf, Crawinkel und Buchenwald. Am 1. April 1945 gelang ihm mit einer Gruppe von 150 anderen Häftlingen die Flucht beim Transport zum KZ Dachau. 34 von ihnen wurden dabei erschossen. Am 23. April kehrte er nach Lenhausen zurück. Zunächst war er einige Jahre als Metzger tätig, dann arbeitete er in der Lenhauser Gießerei Biggemann und im Eisenwerk Plettenberg-Ohle. Am 28. Februar 1952 heiratete er in zweiter Ehe die katholische Helga Rücker aus Dortmund. Dieser Ehe entstammen drei Kinder. Werner Jacob starb am 9. November 1992
Das letzte Lebenszeichen
Grete Jacob, das jüngste Kind der Familie, wurde am 1. November 1921 in Lenhausen geboren. Nach ihrem Abtransport in das KZ Zamosa schrieb sie Silvester 1942 noch einen Brief an ihren Bruder Werner. Das war ihr letztes Lebenszeichnen.


 

 Kommentar: Gemeinderat muss Bekenntnis ablegen

Von Peter Plugge

In Finnentrop übt man sich in einem absurden Spagat, der nicht durchgehalten werde kann und darf.
In Lenhausen verlegt man Stolpersteine, um den Mitgliedern der von den Nazis verfolgten, drangsalierten und getöteten Familie Jacob zu gedenken. Der Bürgermeister spricht ein Grußwort.
In Bamenohl sind zwei Straßen nach den Dichterinnen Josefa Berens und Maria Kahle benannt, die in ihrem Schaffen genau die kranke Ideologie und ihre führenden Vertreter verherrlicht haben, die verantwortlich für die Gräuel waren, die den Mitgliedern der Familie Jacob, allen Mitbürgern jüdischen Glaubens sowie Kommunisten, Gewerkschaftern, Mitgliedern der SPD, aber auch des Zentrums sowie Christen, die sich gegen den Wahnsinn der Nazis stellten, widerfahren sind. Kahle und Berens werden mit den Straßenbenennungen ebenso geehrt wie die Mitglieder der Familie Jacob mit den Stolpersteinen. Das kann nicht sein.
Der Antrag auf Umbenennung der Straßen in Bamenohl wurde vom Gemeinderat in die Hände und Verantwortung der dort lebenden Anwohner gelegt. Ein in Finnentrop wohl einmaliger plebiszitärer Akt, der prompt daneben ging. Die meisten Anwohner wollen ihre gewohnten Straßennamen behalten. Angesichts der mit einer Umbenennung verbundenen Unannehmlichkeiten vielleicht sogar ein wenig verständlich.
Genau deshalb war es aber falsch von der Politik, sich dem Votum der Anlieger zu unterwerfen. Bei der Frage der Umbenennung der beiden Straßen geht es nicht um deren Befindlichkeiten, sondern darum, die Geisteshaltung der Gemeinde und ihren Umgang mit der Geschichte auch nach außen darzustellen. Will man die Propagandisten des Nazi-Regimes ehren oder ihre Opfer? Beides geht nicht. Ein sowohl als auch kann es ebenso wenig geben wie eine Diskussion über die „Schwere der Schuld“ der beiden Dichterinnen.
Das haben die Verantwortlichen von Rat und Verwaltung offensichtlich falsch eingeschätzt. Sie müssen sich jetzt ihrer Verantwortung für die Gemeinde stellen und eine klares Bekenntnis ablegen. Das Renommee der Gemeinde Finnentrop hat bereits gelitten.

(Quelle WR vom 07.02.2014)

SK vom 09.02.2014:


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