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Donnerstag, 25. September 2014

2014-09-25 Drei Monate nach der Flugzeug-Kollision über Elpe stecken die Trümmerteile noch im Boden

„Wir wollen unsere Wiese wieder“

Drei Monate nach der Flugzeug-Kollision über Elpe stecken die Trümmerteile noch im Boden. Untersuchungsbericht mit interessanten Detail.

Von Joachim Karpa

Olsberg. Sie fliegen wieder. Schon lange. Die Maschinen der Luftwaffe donnern über Elpe hinweg - so, als ob nichts gewesen wäre.

Gerade drei Monate ist es her. Am 23. Juni, ein Montag, entgeht der 650-Seelen-Ort einer Katastrophe. Nach einer Kollision mit einem Eurofighter stürzt um 14.38 Uhr ein Learjet bei einer Übung ab. keine 100 Meter von Häusern entfernt. Die zwei Piloten, 43 und 50 Jahre alt, sterben. Tagelang suchen Helfer ihre sterblichen Überreste.

Was hat der Unfall mit den Menschen in Elpe gemacht? „Ich schaue immer nach, ob die Kerzen an dem provisorischen Holzkreuz, das wir für die beiden Männer aufgestellt haben, brennen“, sagt Werner Susewind. „Mein vierjährige Enkelin Jolina, zuckt immer zusammen, wenn die Düsenjäger über uns hinwegfliegen.“ Dem 66-Jährigen macht es nichts aus. „Früher sind die Maschinen viel tiefer geflogen. Der Lärm war schlimm.“

Ortsvorsteher Dominik Beule (CDU) erinnert sich gut an die Aufregung, die nach dem Knall, und der Stichflamme und dem Rauchpilz in Elpe herrscht. „Die Trümmer waren wie bei einem Konfettiregen über das Gelände verteilt.“

Kreuz zum Gedenken geplant

Menschen, die das alles unmittelbar gesehen haben, sind nach seiner Einschätzung leicht traumatisiert. „Den einen beschäftigt es mehr, den anderen weniger. Das Tagesgeschäft geht weiter.“ Kein Verständnis hat der 27-Jährige Lehrer dafür, dass bei der Luftwaffe Elpe nach wie vor als unbewohntes Gebiet gilt. „Die Unglücksmaschine ist 80 Meter vor einer Haustür abgestürzt. Zählen wir nicht?“ Nicht nur er ist froh, dass Elpe glimpflich davon gekommen ist. „Wir müssen danken, dass dem Ort nichts passiert ist.“ Aus Respekt vor den beiden Opfern will die Gemeinde ein bleibendes Kreuz errichten. Ob auf politischer Ebene ein Vorstoß gewagt werden soll, den Elper Luftraum als Übungsgebiet auszuklammern, hält er für denkbar, aber nicht für durchsetzbar. Beule weiß: „Geübt werden muss ja irgendwo.“

Am Boden sind die sichtbaren Schäden beseitigt. „Die mit Kerosin verseuchte Absturzstelle ist abgetragen und ausgekoffert worden“, sagt Petra Brandenburg, Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde im Hochsauerlandkreis. „Es waren 40 bis 50 Kubikmeter.“

Die anliegenden Wiesen gehören nicht zu ihrer Baustelle. Hier liegen verstreut auf den Wiesen nach wie vor tausende winzige spitze Trümmerteile aus Titan und Aluminium. Maria-Luise Klauke ist wütend: „Es passiert nichts. Dabei brauchen wir die Wiese für unsere sieben Pferde. Wir können die Tiere nicht jeden Tag zwölf Kilometer durch die Gegend fahren.“ Die Zäune habe man entfernt, damit der Bagger den Boden abtragen könne. „Nichts passiert.“ Die Familie wolle kein Geld: „Wir wollen unsere Wiese wieder.“

Übungsflüge gehen weiter

Das interessiert die Luftwaffe nicht. Zum Thema unbewohnte Gegend sagt ein Sprecher: „Wie will man messen? In dem man ein Lot herunterlässt?“ Dass weiter über Elpe geflogen wird, ist für ihn keine Frage: „Es ist eine hoheitliche Aufgabe.“ Ob und wie Flugzeuge der Gesellschaft für Flugzieldarstellung (GFD), zu ihr gehörte der Learjet, künftig beteiligt sind, bleibt unklar. Geschäftsführer Klaus Menzel: „Dass wir auf dem Unfall Konsequenzen ziehen müssen, ist klar. Verbindliches kann ich noch nicht sagen.“

„Kannst du mal nehmen, ich kann den nicht mehr sehen“

Vom Anfang in Schleswig-Holstein bis zum Ende im Sauerland: Minutenprotokoll der Abfangübung der Luftwaffe

Braunschweig/Olsberg. Die Aufklärung der Kollision ist einen entscheidenden Schritt weiter. Seit gestern liegt der Zwischenbericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BfU) vor. Danach hat der Copilot des an der Abfangübung beteiligten Learjets während dieses Manövers das Steuer an den Piloten übergeben. Und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als der Copilot den vorausfliegenden Eurofighter aus dem Blickfeld verloren hatte. Ein Minutenprotokoll.

13:04Uhr: Der Learjet startet in Hohn (Schleswig-Holstein). An Bord sind zwei erfahrene Piloten (50 und 43 Jahre alt) mit insgesamt mehr als 10 000 Flugstunden.
14:20In Nörvenich startet eine Formation zweier Eurofighter der Bundeswehr Richtung Sauerland.
14:26Der 33-jährige Pilot, der die Bundeswehr-Formation anführt und 37 solcher Abfangübungen geflogen hat, meldet „Tally“. Er hat den zu identifizierenden Learjet in Sicht.
14:27Der Eurofighter-Pilot meldet der Bodenstation, dass er in 3300 Fuß Höhe die Annäherung ohne Radarführung durch den Lotsen einleiten wird. Der zweite Eurofighter folgt in zwei Meilen Entfernung.
14:30Der Pilot des Learjets teilt seinem Copiloten mit: „Da kommt er links.“ Die Maschine beschleunigt auf 250 Knoten.
14:34Der Eurofighter gibt das erste Follow-me-Signal. Doch der Learjet folgt nicht. Er soll nach dem Drehbuch der Übung nicht reagieren.
14:38Der Eurofighter wackelt ein zweites Mal mit den Flügeln. „Follow me!“ Dann leitet er eine 20-Grad-Linkskurve ein.
14:38:16Der Copilot des Learjets, er sitzt auf der rechten ­Seite im Cockpit des Flugzeuges, schaltet den ­Autopiloten ab und wackelt mit den Flügeln. „Ich habe verstanden!“
14:38:18Der Learjet-Copilot übergibt die Flugzeugführung: „Kannst du mal nehmen, ich kann den nicht mehr sehen.“
14:38:19Der Learjet erhöht die Triebwerksleistung von 73 auf 88 Prozent und leitet eine 13-Grad-Linkskurve ein.
14:38:26Die Querneigung des Learjets in der Linkskurve beträgt mittlerweile 52 Grad. Jetzt fordert der Pilot seinen Copiloten auf: „Nimm’ mal den Computer.“ (Offenbar einen Navigation-Laptop.)
14:38:28Der Stimmenrekorder zeichnet dumpfe Geräusche auf, bevor die Aufzeichnung nach einer Sekunde stoppt.
14:38:48Der Eurofighter-Pilot funkt: Mayday, mayday, mayday. Der Learjet prallt in Rücklage in Elpe auf eine Wiese.
14:58Uhr. Der schwer beschädigte Eurofighter landet in Nörvenich. Der Pilot muss ein Triebwerk abschalten, das bei dem Zusammenstoß bei ca. 80 Prozent Schub blockiert wurde. Ein Zusatztank ist abgerissen, der Bremsfallschirm hat ausgelöst und hängt im Sauerland in einem Baum. Die Luft-Luft-Übungsrakete des Eurofighters hat keinen Schaden genommen, sie war unter dem unbeschädigten Flügel befestigt. tob

Ärger über vorschnelle Veröffentlichung

Wolfgang Hellmich, SPD-Bundestagsabgeordneter aus dem Kreis Soest und Mitglied im Verteidigungsausschuss, ist verärgert über die Veröffentlichung des Zwischenberichts der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchen (BfU) in den Medien, bevor er den Abgeordneten zur Verfügung gestellt worden sei. 

(Quelle WP vom 25.09.2014)


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